Grüner Türke

Leseprobe

Als Lisa an diesem Abend in ihre Lieblingspizzeria eintrat, wurde sie von hinten an ihrem nostalgischen Spitzenkragen geschnappt und durch die große Schwingtür in die Küche gezogen. Als sie sich umdrehte, schaute sie in die aufgeregt funkelnden Augen Lorenzos, des Wirtes. Im Hintergrund bemerkte sie Uio, den Küchenhelfer, einen jungen Mann, dessen Nationalität Lisa im asiatischen Raum ansiedelte. Er war eifrig damit beschäftigt, an dem großen Edelstahlherd an der Wand herumzuhantieren.

»Was ist denn hier los?«, rief Lisa erstaunt. »Und warum ziehen Sie mich in Ihre Küche, Herr Lorenzo? Ich dachte, hier dürften nur …«
»Pst, Signora Lisa, nichte so laute«, beschwichtigte Lorenzo sie. »Hach, ich bin totale aus de Häusche …«
Lisa bemerkte, wie Lorenzo mit starkem Akzent sprach, wie immer, wenn er aufgeregt war. Trotz seiner Aufgeregtheit senkte er noch weiter die Stimme. »Ich habe Pizza kreierte mit Blutwurst und Leberwurste. Ist perfekte. Oh, Mamma Mia, die Leute werden kommen und sagen, dass Pizza nirgendwo besser ist als hier bei Lorenzo. Und ich werde in die Zeitung kommen und vielleicht ins Fernsehen, Signora Lisa. Ich werde großer Stare, Signora Lisa. Denn ich musse öre, was Leute sagen …«
»Ja, und dazu hat er die Mikrofone versteckt.«
Erst jetzt bemerkte Lisa Otto, Lorenzos Stammgast, der hinten im Eck versuchte, seine ausladende Figur auf einem wackeligen Stühlchen zu balancieren, während er vor sich mit einem Gerät beschäftigt war, das sie schon einmal bei dem Nachbarsjungen gesehen hatte.
»Mikrofone?«, wiederholte Lisa ungläubig.
»Ja«, erwiderte Otto. »In den Seidenblumen an den Tischen …«
»Geniale nichte? Winzige Dinger. Damit kann ich öre, was Gäste sage.« Lorenzo lächelte übermütig.
»Und der Ton wird per Funk auf die Boxen übertragen.« Otto deutete auf die kleinen Lautsprecher neben seinem Gerät.
»Aber das ist ja …«
»… sehr gut fürs Geschäfte«, fiel ihr Lorenzo ins Wort.
Lisa schüttelte den Kopf. »Aber, da werden ja unschuldige Leute abgehört … Oh nein, da mache ich nicht mit.«
Sie wollte schon gehen, als Otto zischte: »Pst, sie sagen etwas.«
Im gleichen Moment waren zwei männliche Stimmen wie aus einem Radio aus den Lautsprechern zu hören. »Also, diese Pizza ist hervorragend …«
Lorenzos Miene verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Das ist ja …«
»Still«, mahnte Otto. »Sie sagen noch was.«
»Für den Misthaufen zu gebrauchen. Also, der Wirt gehört erschossen, das sage ich dir …«
Schlagartig erschlafften Lorenzos Mundwinkel, und sein Gesicht nahm einen weinerlichen Ausdruck an. »Also, das ist ja widerlich …«
»Pst«, zischte Otto wieder. Er drehte an den Lautsprechern und der Ton aus den Boxen wurde deutlicher: »… Also kommen wir zum Geschäft. Und ich sage dir, wenn der grüne Türke erst mal unter der Erde ist …«
Ein krächzendes Lachen mit lakonischem Unterton scholl bis in die Küche. »… Also, du meinst im tiefen, tiefen Grab, bis Gras über die Sache gewachsen ist …«
Lisa stutzte. »Grab. Unter der Erde? Lorenzo, Otto, habt Ihr das gehört?«
Lorenzo und Otto schauten sich schulterzuckend an und im Hintergrund hörte Uio auf zu kochen. Lisas Stimme überschlug sich. »Da wird jemand umgebracht, um Himmels willen, da muss man doch etwas unternehmen.«
Lorenzos Gesichtsausdruck wurde immer finsterer und Otto starrte mittlerweile geistesabwesend auf seinen Computer.
Lisa konnte sich nicht beruhigen. »Es geht um Mord und Totschlag.«
»Ach«, sagte Lorenzo, »es wird vielleicht ein Scherze gewesen sein.«

„Grüner Türke“ – Die kriminalistischen Fälle der Lisa Schneider – Band 1
von Ingrid Reidel

80 Seiten, Format 10,5 x 14,8 cm, Broschur

Preis: 6,50 EUR (D), 6,80 EUR (A)

lieferbar – erhältlich im Buchhandel oder im Online-Shop

PMLakeman-Verlag

ISBN 978-3-9823727-2-3